Gerade in Deutschland ist die Hemmschwelle, eigene Manager zur Verantwortung zu ziehen, in den letzten Jahren immer mehr gesunken. Spätestens mit dem Urteil des BGH in Sachen ARAG/Garmenbeck vom 21.04.1997 (II ZR 175/95) war klar, dass operative Organe, die Fehler machen, von ihren Aufsehern regresspflichtig gemacht werden müssen. Es hat dann zwar noch eine Weile gedauert, bis sich dieses Urteil herumgesprochen und die sogenannte ‚Deutschland-AG‘ aufgelöst hat. Seit den letzten 10 Jahren haben sich die Forderungen auf Schadenersatz aber massiv verschärft – sowohl in der Frequenz als auch der Höhe nach.
Zudem werden Unternehmensleiter mit immer neuen gesetzlichen Vorgaben konfrontiert, sei es im Steuer-, Umwelt- Produkthaftungs-, Insolvenz- oder Gesellschaftsrecht. So hat der Gesetzgeber jüngst mit dem Gesetz zur Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen (kurz ‚StaRUG‘) eine Richtlinie der EU aus 2019 umgesetzt, wonach die Geschäftsleiter eines insolvenzgeneigten Unternehmens bereits 24 Monate vor der (endgültigen) Pleite die Interessen der Gläubiger in den Fokus nehmen müssen – und dies auch noch vorrangig!
Interessenskonflikte mit dem eigenen Unternehmen und dessen Gesellschaftern werden so kaum ausbleiben. Die bevorstehende Insolvenzwelle wird auf jeden Fall dazu führen, dass künftig immer mehr Ansprüche von Insolvenzverwaltern, Gläubigern und staatliche Stellen an die Manager herangetragen werden. Auch inhabergeführte Gesellschaften müssen sich nun also intensiv mit der Frage auseinandersetzen, ob sie diese Risiken in den eigenen Büchern lassen wollen, oder es nicht doch besser ist, den Transfer in eine D&O-Versicherung einzugehen.
Außerdem sind die Organe einer zunehmend beschleunigten und komplexer werdenden Arbeitswelt ausgesetzt, in der es gilt, gravierende und weitreichende Entscheidungen unter höchstem
Zeitdruck zu fällen. Gleichzeitig müssen die ausufernden Kontroll- und Überwachungspflichten so eingehalten werden, dass ihnen keine Pflichtverletzungen im Management vorgeworfen werden
können.
Schließlich ist es nach wie vor kaum möglich, die Haftungsgefahren vertraglich zu minimieren, weder vor noch nach Aufnahme der jeweiligen Tätigkeit als Organ. Allenfalls bei der GmbH wäre
dies möglich, allerdings bleibt dann das Risiko in den Büchern des Unternehmens hängen. Bei Aktiengesellschaften wäre hingegen nur ein nachträglicher Haftungserlass möglich, dies aber
erst drei Jahre nach Entstehung des Anspruchs und nur mit Zustimmung der Hauptversammlung (§ 93 Absatz 4 AktG). Für viele Manager ist das ein ebenso unwägbares wie kaum zu tragendes
Risiko. Und natürlich bleibt es auch in solchen Fällen dabei, dass am Ende das Unternehmen den Schaden übernehmen muss.
Gleiches gilt im Übrigen auch, wenn sich die Manager mit sogenannten ‚Verschaffungsklauseln‘ in ihren Anstellungsverträgen einen bestimmten Deckungskomfort garantieren lassen. Können
diese Zusagen vom Unternehmen nicht eingehalten werden, weil die Versicherungssumme nicht ausreicht oder die Versicherungsbedingungen eingeschränkt werden (Stichwort: ‚Marktverhärtung‘!),
dann machen sich die Unternehmen ihrerseits schadenersatzpflichtig mit der Folge, dass sie auf ihren Schäden sitzenbleiben.