Im Kontext eines zunehmend härteren Marktes für D&O-Versicherungen werden Rufe nach Alternativen von Kunden lauter, die Schwierigkeiten haben, ihr gesamtes D&O-Programm bei traditionellen
Versicherern zu platzieren. Es geht hierbei um ‘Alternativen Risikotransfer’ (ART), der insbesondere dann zum Zug kommt, wenn Risiken sehr hoch oder speziell sind, sodass sich kein ausreichender
Versicherungsmarkt dazu bildet.
Eine Überlegung, die dabei immer wieder diskutiert wird, besteht darin, zumindest einen Teil oder gar das gesamte D&O-Programm in eine Captive einzubringen.
Traditionell wird die Versicherung der Managerhaftung und der damit verbundenen Risiken auf drei Säulen gestellt:
- Side A
Deckung für Schadenersatzansprüche gegen eine Person in ihrer Eigenschaft als Manager (Organ).
- Side B
Deckung für die Unternehmen, soweit diese die versicherten Personen von Schadenersatzansprüchen freistellen (sogenanntes ‚Company Reimbursement‘).
- Side C
Deckung von Ansprüchen, die sich unmittelbar gegen die Unternehmen richten, insbesondere für Wertpapieransprüche von Anlegern gegen Unternehmen.
Die Verwendung von Captives für die Absicherung von Risiken aus Side B & C ist aus regulatorischer Sicht relativ problemlos darstellbar. Risikomanager können sich hier voll auf die Abwägung
zwischen dem Risikotransfer auf Dritte / Versicherer (und dem damit verbundenen Risikoappetit) auf der einen Seite und der Frage des Kontrollverlusts über die Risiken auf der anderen Seite
konzentrieren.
Bei Side A ist die Eigenversicherung dagegen deutlich komplizierter, insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber die Reduktion bzw. den Verzicht auf die Inanspruchnahme der Manager teilweise oder
ganz verbietet, wie etwa in Deutschland mit § 93 Absatz 4 AktG. In diesen Fällen muss darauf geachtet werden, dass die Versicherungslösung für einen ausreichenden Transfer auf Dritte sorgt.
Bei der Verwendung einer Captive zur Bereitstellung des D&O-Versicherungsschutzes für Side A gibt es drei Hauptprobleme:
- Einhegung von Vermögenswerten
Der Zweck des D&O-Versicherungsschutzes bei Side A besteht neben der Abwehr unbegründeter Forderungen darin, Manager von ihrer Haftung freizustellen, wenn das Unternehmen dazu nicht
bereit oder nicht in der Lage ist.
Eine der Hauptsituationen, in denen Manager nicht enthaftet werden können, entsteht bei Insolvenz der Unternehmen. In einer traditionellen Captive-Lösung wird die Versicherung von einer (dazu
gegründeten) Tochtergesellschaft des Unternehmens bereitgestellt. Eine solche Eigenversicherung birgt aber die Gefahr, dass bei Insolvenz des Konzerns das Vermögen der Captive vor dem Zugriff
von Gläubigern nicht geschützt ist. Es kommt zum Ausfall der Absicherung und die Manager bleiben auf den Schäden sitzen.
Nun kann zwar argumentiert werden, dass das Vermögen der Captive zusätzliches / sonstiges Vermögen der Muttergesellschaft ist und zur Deckung der Verbindlichkeiten des Unternehmens zur
Verfügung gestellt werden sollte, anstatt zur Absicherung der Freistellungsansprüche der Versicherten. Indes muss bezweifelt werden, ob mit einer solchen Argumentation durchgedrungen werden
kann, da die Versicherung in aller Regel zugunsten von versicherten Personen (Managern) abgeschlossen wird.
- Zirkularität der Finanzierung
Ein weiteres Hindernis besteht darin, dass es den Unternehmen oftmals gesetzlich untersagt ist, Manager von deren Haftung freizustellen. Die gesetzlich verbotenen Situationen variieren je
nach Rechtsprechung. Wird in solchen Fällen die Entschädigung durch eine firmeneigene Versicherung ersetzt, besteht das Risiko, dass auch der Transfer in die Captive verbotswidrig ist - und
damit nicht gelingt.
Dies liegt daran, dass sich die Verbote der Enthaftung meist auf den gesamten Konzern erstrecken, also auch auf die Captive, wenn es sich (wie üblich) um eine Tochtergesellschaft des
Unternehmens handelt. Seit je her wird deshalb davon ausgegangen, dass diese fehlende Funktion, Manager von deren eigener Haftung freizustellen, eine firmeneigene Versicherungslösung in
diesem Bereich schwierig bis unmöglich macht.
- Unabhängigkeit der Schadenbearbeitung
Zudem lehnen es viele Manager ab, dass Entscheidungen darüber, ob ihre Versicherung ausgezahlt werden soll oder nicht, von einer Stelle getroffen werden, die letztlich der Kontrolle des
Unternehmens unterliegt, für das sie tätig sind. Dies ist insbesondere dann ein Problem, wenn das Unternehmen Ansprüche auf Schadenersatz gegen die eigenen Manager richtet
(Binnenhaftung).
Das kann besonders dann zum Problem werden, wenn das Management ausgetauscht wird und das Unternehmen zu dem von der Haftung betroffenen Manager keine Beziehung mehr hat. Gerade in einer
solchen Situation möchten Manager sicherstellen, dass alle Entscheidungen in Bezug auf die Bearbeitung und Kontrolle von Schäden objektiv und unabhängig vom Unternehmen getroffen
werden.
Vor diesem Hintergrund gibt eine Reihe von Lösungen für das Problem der Unabhängigkeit der Schadenbearbeitung, wie zum Beispiel:
-
Einschaltung einer unabhängigen Anwaltskanzlei oder eines unabhängigen Schadensbearbeitungsunternehmens für die Bearbeitung der Schäden; und /
oder
-
Transfer auf eine unabhängige Versicherungsgesellschaft, die dann von der Captive rückversichert wird.
Abgesehen von der Frage, ob Side-A-Deckungen mit einer Captive abgesichert werden können, wirft die Verwendung von Captives innerhalb von D&O allgemeinere Fragen für Kunden auf, die diese
Alternativen zum Abschluss einer traditionellen Versicherung in Betracht ziehen:
- Die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb einer Captive. Captives sind Versicherungen und sind daher in den jeweiligen Jurisdiktionen aufsichtspflichtig.
- D&O-Risiken können zu sehr langfristigen Verbindlichkeiten führen. Bei der Betrachtung der Kosten im Vergleich zur Zahlung der Prämie an einen traditionellen Versicherer müssen Kunden die
Kosten für die Bindung von Kapital berücksichtigen, das an solchen Altverbindlichkeiten ausgerichtet ist.
- D&O-Risiken sind außerdem niederfrequent, aber mit hohem Schadenpotential verknüpft. Es ist daher unbedingt erforderlich, das übernommene Risiko an den Risikoappetit der Kapitalgeber
anzupassen. Wenn das Unternehmen bereits eine Captive für andere Risiken aufgebaut hat, können diese die Volatilität der D&O-Risiken viel besser ausgleichen.
Angesichts der zunehmend schwierigeren Marktbedingungen ist es naheliegend, Captives entweder als Alternative oder Ergänzung zu klassischen Versicherungen in Betracht zu ziehen, um die
Herausforderungen der Kapazitätsbeschaffung zu bewältigen. Zu diesem Zweck sollten jedoch die Feinheiten im Umgang mit D&O-Risiken auf der einen Seite und deren Transfer über Captives auf der
anderen Seite mit gebührender Sorgfalt geprüft und ggf. umgesetzt werden.
Side-A-Deckungen bilden in der D&O spezifische Herausforderungen bezüglich der Zirkularität von Finanzen und Governance. Bereits jetzt gibt es jedenfalls tragfähige Lösungen für Side-B- und
Side-C-Deckungen. Angesichts des Potenzials einer erheblichen Verlustvolatilität erfordert diese jedoch eine gute Organisation sowie stabile Finanzierungen der Kapitalgeber.